Aus irgendeinem Grund war es eine meiner größten Freuden Love Island mit Freunden zu sehen, eine Flirtshow, die ursprünglich auf RTL-II ausgestrahlt wird. (Die gesamte Saison ist auf RTL Now zu sehen). Ich lasse Petra Schwegler, Autor & Kritiker für W&V, die Sendung beschreiben:
“Wer Niveau im TV sucht, wird es bei “Love Island” nicht finden. Doch die Trash-Show unterhält — die neue RTL-II-Reihe nutzt die hypnotische Wirkung, die auch schwere Unfälle auf Betrachter ausüben. Man muss einfach hingucken. Ober besser — man kann nicht wegschauen!”
Love Island ist selbstbewusst albern, lächerlich und durch und durch dumm. Es wird keine Preise gewinnen. Und es ist kein Better Call Saul — deine coolen, klugen Freunde werden nicht darüber reden.
Aber es macht einfach Spaß Love Island zuzusehen. Man könnte es ein schuldiges Vergnügen nennen: etwas, das man genießen kann, aber nicht mit Stolz.
Warum haben wir ein schlechtes Gewissen, weil wir bestimmte Dinge mögen und sollten wir das auch? Die Gefühlsforschung legt nahe, dass Schuldgefühle eine wichtige soziale Funktion erfüllen können, aber ich bin mir nicht sicher, ob Schuldgefühle uns wirklich einen Gefallen tun, wenn es darum geht Dinge wie das Fernsehen zu genießen.
Warum schuldhaftes Vergnügen?
Erstens könnte der Begriff “schuldiges Vergnügen” eine Fehlbezeichnung sein. Die Philosophen Kris Goffin und Florian Cova merken an, dass der Begriff eher mit “Scham oder Peinlichkeit als mit Schuld” assoziiert wird.
Doch unabhängig davon, ob wir uns schuldig oder peinlich fühlen, warum sollten wir uns schlecht fühlen, weil wir einige Dinge genießen, andere aber nicht? Viele Psychologen glauben, dass Schuldgefühle anpassungsfähig sind, da sie Menschen dazu motivieren gesellschaftlichen Normen zu folgen.
Im Wesentlichen fühlen wir uns schlecht wenn wir die Regeln brechen, was uns dann daran hindert die Regeln genauso oft zu brechen. Wenn es um Fernsehsendungen und andere Formen der Kunst geht, könnten die Normen das sein was gesellschaftlich akzeptabel zu mögen ist.
Goffin und Cova haben eine Studie durchgeführt, die Ergebnisse gefunden hat, die mit dieser Idee übereinstimmen. Sie baten 89 Online-Personen über ein Kunstwerk wie eine Fernsehsendung nachzudenken, das ihnen nicht gefiel. Dann bewerteten sie wie stark sie mit verschiedenen Aussagen übereinstimmten, die verschiedene mögliche Gründe dafür prüften warum sie sich schlecht fühlen könnten.
Zum Beispiel wurde in einer Aussage die lautete: “Ich fühle mich schlecht, weil ich dieses Werk genieße, weil es objektiv gesehen nichts Gutes daran gibt”, getestet, ob sich die Testpersonen schlecht fühlten, weil sie Dinge mochten die künstlerisch schlecht waren. Eine andere Aussage testete, ob sich Probanden schlecht fühlten, weil andere sie beurteilen könnten: “Ich fühle mich schlecht, weil mir diese Arbeit gefällt, weil ich Angst davor habe was andere Menschen von Menschen denken die diese Art von Kunstwerk mögen.”
Die Testpersonen stimmten am stärksten mit Aussagen überein, die sich darauf bezogen von anderen beurteilt zu werden (mittlerer Zustimmungswert von 4,5 auf einer Skala von 1–7) und seinen persönlichen Idealen nicht gerecht zu werden (mittlerer Wert von 4,7).
Mit anderen Worten, es scheint, dass sich die Testpersonen schuldig fühlten, weil sie das Gefühl hatten gegen Normen zu verstoßen — die entweder von anderen oder ihnen selbst auferlegt worden waren — und das zu mögen was “akzeptabel” war.
Was wäre, wenn jeder heimlich Emily in Paris liebt?
Wenn es diese Normen wirklich gibt, dann gilt vielleicht die anpassungsfähige Darstellung von Schuldgefühlen für schuldhaftes Vergnügen und die Schuldgefühle der Menschen drängen sie davon ab Dinge zu mögen, die ihrem Ruf schaden könnten.
Aber keine Anpassung ist perfekt. Selbst wenn Schuldgefühle im Allgemeinen anpassungsfähig sind, ist ein Schuldgefühl in einer Situation nicht immer in unserem besten Interesse. Zum Beispiel könnten die Normen von denen wir glauben, dass sie existieren, Missverständnisse sein.
Konkret könnten sie durch das entstehen was Psychologen pluralistische Ignoranz nennen: Wenn Menschen eine Norm öffentlich befürworten, aber eine andere private Überzeugung vertreten, weil sie (fälschlicherweise) davon ausgehen, dass die öffentliche Haltung aller anderen ihre privaten Überzeugungen widerspiegelt. In etwa: „Jeder glaubt, dass alle anderen daran glauben, während in Wirklichkeit keiner daran glaubt“.
Wenn z.B. jeder die Netflix-Emily in Paris sieht und liebt, aber viele Leute online ablästern, könnten viele Leute denken, dass es uncool ist sie zu mögen, obwohl die meisten Leute sie lieben. Infolgedessen trifft die “Norm”, dass Emily in Paris Müll ist nicht wirklich die Gefühle der Mehrheit der Menschen. Jemand könnte sich also schuldig fühlen, weil er zuschaut und gegen die Norm verstößt, aber die Norm eine Illusion ist.
Ein Ende der schuldhaften Vergnügungen
Der Begriff “schuldiges Vergnügen” ist eine relativ neue Erfindung, die laut Jennifer Szalai bis in die 1990er Jahre nur selten im Druck erschien. Vielleicht ist es, wie andere argumentiert haben, an der Zeit ihn zurückzuziehen.
Abgesehen von der Tatsache, dass unsere Schuldgefühle in erster Linie fehlgeleitet sein könnten, wird wenn wir über “schuldiges Vergnügen” sprechen, nicht genug Gewicht auf das Vergnügen und anstatt auf die Schuld gelegt: schuldiges Vergnügen ist immer noch Vergnügen. Sicher, wenn ich mir Love Island anschaue, lerne ich nichts dazu. Ich fühle mich intellektuell nicht bereichert. Aber ich entspanne mich und amüsiere mich ne Stunde lang.
Das ist immer noch vorteilhaft. Und es ist schwer zu argumentieren, dass es etwas ist, weswegen ich oder irgendjemand ein schlechtes Gewissen haben sollte.
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