Vor zwei Tagen erhielt ich eine Textnachricht von einem Leser.

Die Nachricht lautete: “Hey Mann, ich denke darüber nach, meinen Job zu kündigen und ein Jahr Pause zu machen. Hast du Zeit dich am Freitag mit mir zu unterhalten?”

Das ist derselbe Leser, der mir vor fast einem halben Jahr diese Frage über Erfolg stellte: “Wer ist die erfolgreichste Person, die du kennst?” Daraufhin antwortete ich: “Wie definierst du Erfolg?”

Die Gesellschaft im Allgemeinen definiert Erfolg als den monetären Wert deines Nettovermögens, und leider tut das auch mein Leser. Aber ich tue das nicht. Wenn es darum geht Erfolg zu definieren, bin ich jemand der sich an den Werten von Ralph Waldo Emerson orientiert:

“Oft und viel zu lachen; den Respekt intelligenter Menschen und die Zuneigung von Kindern zu gewinnen; die Anerkennung ehrlicher Kritiker zu verdienen und den Verrat falscher Freunde zu ertragen; das Schöne zu schätzen; das Beste in anderen zu finden; die Welt ein bisschen besser zu hinterlassen, sei es durch ein gesundes Kind, ein Gartenbeet oder eine geläuterte soziale Lage; zu wissen, dass auch nur ein Leben leichter geatmet hat, weil du gelebt hast. Das ist es erfolgreich gewesen zu sein.”

Aber wir sind nicht hier, um darüber zu streiten, was Erfolg ist und was er nicht ist. Heben wir uns das für ein anderes Mal auf. Was wir hier besprechen wollen, ist, wie die schiere Anziehungskraft unserer persönlichen Werte unsere täglichen Entscheidungen, Handlungen und Verhaltensweisen antreibt.

Du siehst, zu oft im Leben tun wir entweder Dinge, weil alle anderen sie zu tun scheinen, oder weil wir, wie ein untätiges Segelboot, das auf dem offenen Meer herumdümpelt, irgendwie in sie hineingetrieben werden.

Ich weiß das, weil ich selbst dort gewesen bin.

Vor ein paar Jahren fand ich mich in der falschen Karriere wieder, dann in der falschen Beziehung — eine in der ich eigentlich nicht sein wollte — und später baute ich mir die falsche Art von Geschäft auf. Ich lebte ein Leben, das von außen so gut aussah, sich aber im Inneren unglaublich falsch anfühlte. Und es dauerte nicht lange, bis ich die unterschwellige Strömung erkannte, die mich immer wieder in die falsche Richtung zurückzog.

Es lag nicht daran, dass ich nicht wusste was ich wollte.

Es war, dass ich nicht wusste was für eine Art von Mensch ich werden wollte.

Und warum? Weil ich keinen inneren Kompass hatte, der mich leitete — ich wusste nicht was meine Werte waren. Ich wusste nicht wofür ich stand, und so wusste ich nicht wie ich mich in meinem Alltag zeigen sollte oder welche Möglichkeiten ich verfolgen sollte.

Was sind persönliche Werte und warum sind sie wichtig?

Laut Psychologen sind persönliche Werte “weit gefasste wünschenswerte Ziele, die die Handlungen von Menschen motivieren und als Leitprinzipien in ihrem Leben dienen. Sie beeinflussen die Vorlieben und das Verhalten der Menschen über die Zeit und in verschiedenen Situationen.”

Unsere persönlichen Werte spiegeln die Motive hinter unseren Handlungen wider.

Und ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, unsere persönlichen Werte repräsentieren was uns wichtig ist. Sie sind grundlegende Überzeugungen, die unsere Entscheidungen leiten und unser Handeln in allen Aspekten unseres Lebens beeinflussen — im Beruf, in der Religion und in Beziehungen.

Als ich meinen Leser fragte, wie er Erfolg definiert, antwortete er genau deshalb so: “Im Grunde genommen, wer ist die Person, die du kennst, die das meiste Geld verdient hat?”

In diesem Moment wurde mir klar, wie unterschiedlich unsere Wertesysteme sind. Er schätzte Geld über alles andere. Ich persönlich schätze Authentizität, Freundlichkeit und Erfüllung, bevor ich die Frage nach finanziellem Reichtum überhaupt in Betracht ziehe. Und warum? Weil ich es so sehe, wie kann jemand der reich ist, als erfolgreich gelten, wenn er oder sie total unglücklich ist und so viele Menschen ausnutzen musste, um diesen Reichtum zu erlangen?

Der springende Punkt hier ist dieser: Wenn du deine eigenen Werte nicht festlegst, wirst du dich am Ende in den Werten anderer Menschen verlieren. Deine Identität, dein Selbstwert und die Art und Weise, wie du dein Leben führst, werden dann völlig abhängig vom Wertesystem anderer.

Daher kann es sein, dass du schnell in den gleichen Raum abdriftest, in dem ich vor genau zwei Jahren verweilte: Ein tägliches Leben zu führen, das nach außen hin glamourös aussieht, aber im Inneren unglaublich leer ist.

Und die Wahrheit ist, wenn du nicht weißt was deine persönlichen Kernwerte sind, hast du keinen Kompass der dich durch das Leben führt, und somit hast du keine Chance die befreiende Schönheit eines bewussten Lebens zu erfahren.

Intentionales Leben bedeutet ein Leben zu leben, das dir treu ist.

Schlicht und einfach geht es bei einem bewussten Leben darum, ein Leben zu führen, das dir treu ist.

Es spielt keine Rolle was deine Eltern dir raten, was die Gesellschaft von dir denkt oder was deine Freunde denken, dass du tun solltest. Was am meisten zählt, ist wie du dich in dir selbst fühlst und was du für dich selbst entscheidest. Das ist es.

Sich selbst an die erste Stelle zu setzen, sich zu entschleunigen, um öfter mit sich selbst zusammen zu sein, sich dabei zu ertappen, mehr “Nein” als “Ja” zu sagen, den Raum zu gestalten, der es dir erlaubt mehr zu erschaffen als zu konsumieren, deine Fortschritte zu teilen statt deine Ziele und die Art von Lebensstil zu hinterfragen, die du führen willst — all das sind Anzeichen dafür, dass du beginnst dein Leben bewusster zu leben.

Im Kern geht es bei einem bewussten Leben darum, deine persönlichen Werte zu formulieren und dann dein tägliches Leben in Übereinstimmung mit diesen Werten zu leben. Es geht darum bewusst zu leben, anstatt ziellos.

Denn so fängst du an dich auf das zuzubewegen, was du wirklich willst und dich von dem zu entfernen, was du nicht willst. Und so fängst du endlich an dein Inneres mit dem Äußeren zu verbinden.

Erstelle eine Liste mit deinen 10 Grundwerten und schwöre,nach ihnen zu leben; dies wird dir helfen bewusstere Entscheidungen zu treffen

Die Werteklärung ist eine Technik, die in der kognitiven Verhaltenstherapie verwendet wird. Sie zielt darauf ab, Menschen zu helfen ihre Wertesysteme zu verstehen. Die Funktionsweise ist ganz einfach: Identifiziere deine persönlichen Werte, erstelle eine Hierarchie ihrer Wichtigkeit für dich und verwende dann dieses Wertesystem als täglichen Leitkompass, um Entscheidungen zu treffen, Möglichkeiten einzuschätzen und die allgemeine Qualität deines Lebens zu verbessern.

Ähnlich wie mein Leser, der über eine große Lebensveränderung nachdenkt, musste auch ich im letzten Monat über kritische Entscheidungen nachdenken, die ich zu treffen hatte. Ich war in einem Zwiespalt zwischen zwei Optionen gefangen. Um zu einer Entscheidung zu kommen, ertappte ich mich dabei, dass ich mir immer wieder diese Frage stellte:

“Was ist für mich am wichtigsten?”

Um herauszufinden was mir am wichtigsten ist, beschloss ich eine Liste mit meinen eigenen Grundwerten zu schreiben. Diese Liste ist nun etwas, zu dem ich zurückkehre wann immer ich mich verloren fühle.

Hier ist die Liste mit meinen 10 persönlichen Werten und wie ich sie definiere:

  1. Authentizität. Bleib dir immer treu, egal mit wem du zusammen bist oder was andere Leute von dir denken.
  2. Eigenständigkeit. Sei auf dich selbst angewiesen und auf niemanden sonst — finanziell, geistig und emotional. Selbstständigkeit ist gleichbedeutend mit Freiheit. Erreiche diese Freiheit, indem du deine eigenen Einkommensströme kreierst, indem du Gewohnheiten praktizierst, die echte mentale Stärke aufbauen, und indem du ein Zuhause in dir selbst kultivierst.
  3. Furchtlose Liebe. Lebe aus einem Ort der Liebe, nicht der Angst. Und sei die Liebe, die du in dieser Welt empfangen möchtest. Öffne dein Herz für alles was du tust und mit wem auch immer du zusammen bist. Suche Tiefe in deinen Beziehungen, besonders mit den Menschen, die dir wirklich wichtig sind und begegne der Angst mit Mut, dem Hass mit Freundlichkeit und der Gier mit Großzügigkeit.
  4. Fröhlichkeit. Mache jeden Tag Dinge, die dir Spaß machen und dir Freude bereiten: Lies, schreibe, mache ein Nickerchen, trinke guten Kaffee, schaue dir den Sonnenuntergang an, gehe an den Strand, verbringe gute Zeit mit Freunden und Familie. Es macht keinen Sinn eine Arbeit zu tun, die dir keinen Spaß macht, oder mit Menschen zusammen zu sein, die du nicht magst. Das Leben ist dazu da genossen zu werden.
  5. Neugierde. Übernimm die Verantwortung für dein eigenes Wachstum. Suche immer wieder nach neuen Erfahrungen, die dich aus deiner Komfortzone heraus und in deine Wachstumszone bringen. Entwickle dich weiter, dehne dich aus und expandiere. Grabe tiefer, immer. Versuche zu lernen und besser zu verstehen indem du bessere Fragen stellst, besonders zu den Themen, die dich interessieren — das wird eine Quelle der Freude in deinem Leben. Aber akzeptiere, dass es Dinge gibt, die du nie verstehen kannst und das ist auch okay.
  6. Optimismus. Glaube immer daran, dass die Zukunft noch schön sein kann, auch wenn du sie dir heute nicht vorstellen kannst, und dann handle und arbeite heute willentlich, um diese Zukunft zu manifestieren. Lebe nach diesen sieben Prinzipien des Optimismus.
  7. Kreativität. Drücke dich beständig durch eine oder mehrere Formen der Kunst aus. Ob es nun Tanzen, Singen, Schreiben, Malen oder Backen ist, lebe wie ein Künstler, der eine Geschichte erzählt und der Welt mehr gibt, als er von ihr nimmt. Mit anderen Worten: Mehr erschaffen, weniger konsumieren.
  8. Auswirkung. Sei freundlich, sei hilfreich, sei ein leidenschaftlicher Gamechanger. Konzentriere dich darauf eine Wirkung zu erzielen, nicht einen Eindruck. Denke langfristig, nicht kurzfristig.
  9. Simplizität. Vereinfache dein Leben. Nimm dich selbst oder alltägliche Ereignisse nicht zu ernst, das verkompliziert die Dinge. Hetze nicht überall hin, das verkompliziert die Dinge. Denke nicht zu viel über alles nach, das verkompliziert die Dinge. Bleibe achtsam, bewusst, präsent und beobachtend — das ist der Inbegriff von Einfachheit.
  10. Gesundheit. Nichts ist es wert dein eigenes mentales, emotionales und körperliches Wohlbefinden dafür zu opfern. Verbringe jeden Tag etwas Zeit damit, dich um deinen Geist, deinen Körper und deine Seele zu kümmern, so dass sie sich auch um dich kümmern können.

Wenn ich mit neuen Entscheidungen konfrontiert werde, kann ich sie nun auf der Skala meines Wertesystems abwägen und ihre Ausrichtung beurteilen. Hier sind einige Beispiele für die Fragen, die ich mir stellen würde, um gegenwärtige und zukünftige Entscheidungen zu bewerten:

  • Wenn ich dies tue, bleibe ich dann mir selbst treu?
  • Wenn ich dies tue, werde ich dadurch meine eigene Eigenständigkeit aufrechterhalten können?
  • Was für eine Wirkung wird das auf andere haben? Erfüllt mich das?
  • Welche Auswirkung wird das auf mein eigenes Wohlbefinden haben?
  • Macht mich dieses Problem neugierig und bin ich daran interessiert es zu lösen? Ist es etwas das mich herausfordern wird? Wird es mich dazu bringen mich zu erweitern und zu wachsen?

Praktiziere was du predigst

Werden sich deine Werte mit der Zeit ändern? Natürlich werden sie das. Wie der Psychologe und Autor Daniel Gilbert sagt: “Der Mensch ist ein unfertiges Werk, das fälschlicherweise denkt, dass es fertig ist.” So wie ein Baum Jahr für Jahr seine Blätter abwirft, so wirst du alte Werte fallen lassen, um neue anzunehmen.

Für den Moment sind deine Grundwerte dein Leitstern im Leben. Sie definieren wer du bist und wofür du stehst. Und nur wenn du weißt wer du bist und was dir wirklich wichtig ist, kannst du anfangen einen bewussteren Weg im Leben zu gehen, einen der es dir erlaubt nach deinen eigenen Regeln zu spielen und nicht nach denen eines anderen.

Aber deine Werte aufzuschreiben ist eine Sache.

Sie zu praktizieren und dich von ihnen leiten zu lassen ist eine andere.

Wie Lao Tzu weiter unten sagt, zeigen die wahrhaft Großen ihre Tugend nicht, sondern praktizieren sie, Stück für Stück, Tag für Tag.

“Die wahrhaft Großen verkörpern den Geist, nicht nur die äußere Erscheinung. Sie tragen Früchte — nicht nur Blüten. Sie ziehen keine Show der Tugend ab — sie praktizieren sie.”

Wenn mein Leser mir also sagt: “Ich denke darüber nach meinen Job zu kündigen und mir ein Jahr Auszeit zu nehmen”, wird meine Frage an ihn einfach sein: “Warum ist das wichtig für dich?” Daraufhin würde ich erwarten, dass er mir die Werte mitteilt, die ihn zu einer solchen Entscheidung geführt haben. Es sei denn er ist sich gar nicht bewusst was seine eigenen Werte überhaupt sind.

Die eigentliche Frage ist: Bist du es?